Geschichte 2
Visuelle Markierungen erklären eine Regel im Umgang mit den Dingen Eine Geschichte von grünen und roten PunktenHat Oskar (5 Jahre) Zeit zum Spielen, dann ist gern in seinem Kinderzimmmer und räumt seine Legobausteinkästen aus und sortiert sie beim Einräumen neu ein. Das ist für ihn nach einem turbulenten Kindergartenalltag eine wirkliche Entspannung. Nach dieser Entspannungszeit ist Oskar auf der Suche nach neuen Spielideen. Am liebsten geht er in der Küche auf Entdeckertour und erkundet, welche Dinge sich hinter den vielen Schranktüren befinden. Es gibt soviel zu Entdecken! Etwas zum Klappern, zum Drehen, glitzernde Dinge, laute Sachen, Knistertüten, große Töpfe mit und ohne Deckel, Dinge, in welche man etwas hineinschütten kann, Dinge, aus denen etwas herausgeschüttet werden kann … Oskars Eltern teilten zu Beginn dieseEntdeckerfreude, denn noch vor 2 Jahren, nahm er kaum von selbst etwas anderes als sein Spielzeugtelefon in die Hand. Doch nach fast einem Jahr täglichem Küchenchaos sind sie verzweifelt.
„Wie kann Oskar lernen, nicht immer alle Schränke auszuräumen?”
Oskars Eltern helfen sich zunächst damit, dass sie die Küche abschließen. Oskar kann das nicht verstehen. Er weint lange oder wirft sich sogar wütend auf den Boden. Und dann gibt es noch die anderen Schränke in der Wohnung! Sollen die Eltern alle Türen abschließen?
Die Eltern wissen, dass dies nicht langhaltend der Weg für das Zusammenleben als Familie sein kann. In der Elternschulung erarbeiteten sie sich einen Lösungsweg, von welchem hier kurz berichtet werden soll:
1. Einen Wunsch als Ziel formulieren:
„Oskar räumt nur noch die Schränke/ Schubladen aus, welche für ihn bestimmt sind.”
Oskar sollte also weiterhin, spannende Dinge in der Küche erkunden können. Denn Oskar mag das Spielen in der Küche und die Eltern mögen es, wenn Oskar bei ihnen ist. Die Sachen der Eltern sollten jedoch in den Schränken bleiben.
2. Überlegen, wie das erwartete »richtige« Verhalten verdeutlicht werden kann. Die neue Regel in einer positiven Sprache formulieren.
Der grüne Punkt verdeutlicht:
„Hier ist dein Schrank. Du kannst ihn öffnen. Es sind viele spannende Sachen darin!“
Der rote Punkt bedeutet:
„Stopp! Die Schranktür bleibt zu!”
3. Darüber beraten, wie Oskar die neue Regel positiv erlernen kann. Reicht es, einfach Punkte auf die Schränke zu kleben? Wird Oskar diese überhaupt wahrnehmen? Warum soll er es akzeptieren, dass diese Punkte eine neue Regel verdeutlichen? Die Eltern wollten zunächst Übungswege außerhalb der Krisensituation (Oskar sitzt bereits vor einem Küchenschrank und möchte ihn öffnen) finden.
Die Eltern und Geschwister spielten mit Oskar verschiedene Spiele, welche den grünen Punkt und roten Punkt mit positiven Erfahrungen besetzten.
Das „Grüne Ampel – rote Ampel – Spiel“ ist ein Beispiel.
Es wurde ein Lieblingsspiel von Oskar. Der Vater und Oskar bauten zunächst zusammen einen Signalstab und malten ihn mit grüner und roter Farbe an. Nach seiner Fertigstellung wurden verschiedene Dinge ausprobiert, die gemacht werden dürfen und bei Rot mit dem Wort „Stopp“ beendet werden sollten. Zum Beispiel ganz laut auf Töpfe schlagen oder eine Kissenschlacht machen …. Oskar hielt gern den Signalstab und achtete genau darauf, dass bei Rot alle wirklich stoppten.
4. Das Hilfsmittel in der konkreten Situation einführen und mit positiven Erfahrungen verbinden.
Als Oskar die Bedeutung der Punkte verstanden und anerkannt hatte, wurden diese in der Küche eingeführt. Vorher überlegten die Eltern genau, welches Fach für Oskar zum Ausräumen geeignet ist. Dort platzierten sie spannenden Küchenutensilen, welche genügend Experimentier- und Handlungsräume versprachen. Dann gingen sie mit Oskar in die Küche und klebten mit ihm gemeinsam zuerst den grünen Punkt und danach alle weiteren an. Oskar nahm die neue Regel an.
Seit diesem Tag räumt er nur noch seine Schublade aus.
Denn das Einhalten von erlernten Regeln ist eine große Stärke von Autismus und so auch von Oskar. Das Entdecken der „richtigen” Regeln ist oft nur die Herausforderung 😉.
Die Regel wurde verstanden. Nun reichen die grünen Punkte. Und eine Weile später band die Mutter einen grünen Knopf an den Griff der Schublade und es sah nicht mehr wie ein spezielles Hilfsmittel aus.
Haben Sie schon alle Geschichten von grünen und roten Punkten gelesen? Dann fällt Ihnen bestimmt auf, dass die Hilfsmittel immer gleich sind. Es sind und bleiben farbige Punkte. Jedoch unterscheidet sich ihre Bedeutung und der Weg der Erarbeitung. Umso wichtiger ist es, sich gemeinsam mit allen Personen zu beraten bzw. sie darüber zu informieren, welche Bedeutung Hilfsmittel für ihr Kind haben. Dies kann z. B. in einem Unterstützerkreis geschehen.